Gehört habe ich schon länger von diesen Neuerungen, bewusst fielen sie mir jedoch erst gesammelt auf einem Plakat auf einer Klotür meines Arbeitsplatzes auf. Da ich keine Zeitung bei mir hatte, entschloss ich mich die Bilder und Schriften näher zu betrachten. Dabei gingen mir mehrere Dinge durch den Kopf.
Frühere feministische Bewegungen waren sehr wichtig und strebten die Dinge von der richtigen Seite aus an. Es wurde sehr viel erreicht und ich bin den Frauen dankbar dafür, dass ich heute so viele Möglichkeiten habe.
Es ist wichtig für Gleichberechtigung zu kämpfen. Jeder Mensch, unabhängig seines Geschlechts, seiner Herkunft, seiner Religion oder ähnlichem sollte die gleichen Möglichkeiten erhalten. Am Arbeitsmarkt sollten zum Beispiel einzig die Leistungen zählen, die ein Mensch hervorbringt. Ich bin also sowohl gegen automatische Bevorzung von Männern, noch von Frauen. Man erreicht Frieden meiner Meinung nach nicht, wenn plötzlich eine andere Gruppe bevorzugt bzw. benachteiligt würde.
Mir fielen die Änderungen extrem radikal denkender FeministInnen vor allem während meines ersten Semesters an der Universität auf, in welchem wir plötzlich dazu aufgefordert wurden, doch bitte künftig StudentInnen statt Studenten zu schreiben. Später galt ein Vergessen dieser Regel bei vielen ProfessorInnen als schwerer Verstoß, Arbeiten wurden schlechter benotet.
Nicht nur, dass diese neue Schreibweise den Lesefluss stört, sie bewirkte bei vielen Vortragenden außerdem eine Benachteiligung meiner männlichen Kollegen, da sie das "I" unzureichend betonten.
Dieser Hype um das "In" führte bei vielen Seminarsarbeiten schreibenden StudentInnen, mir eingeschlossen, oftmals zu dem kurzen panischen Gedanken, ob Wörter wie Mitglied nicht vielleicht doch eine weibliche Form haben könnten.
Nun gut, nun scheinen, zumindest in wissenschaftlichen Arbeiten, also beide Geschlechter auf. Was hat sich dadurch für die österreichischen Frauen wirklich geändert? Wenn eine Freundin im Alltagsslang sagt "Ich muss heut zum Arzt." stelle ich mir noch immer ein geschlechtsloses Individum in weißem Kittel (vielleicht sollte man an solchen Stereotypen arbeiten) vor und keinen Mann, es sei denn ich weiß, dass ihr(e) Arzt/Ärztin ein Mann ist.
Was bringen uns nun diese Schilder?
Ich fühle mich diskriminierter denn je, da ich weder den Rock und die Stiefel vom zweiten Bild, noch die - in Vergleich zu meinen - kurzen Haare vom ersten Bild trage.
Frauen werden also jetzt auch auf Plakate dagestellt? Das impliziert aber nun folgendes: Erstens schauen Männer also aus wie figurlose Strichmännchen und zweitens definieren sich Frauen offenbar über Rock, Stiefeln und eine bestimmte Haarlänge.
Gut, schön. Wie weit soll das noch gehen? Kommen bald extra Schilder für Kinder, ältere Menschen, Übergewichtige, Untergewichtige, BrillenträgerInnen, RaucherInnen, etc.?
Fühlen sich tatsächlich mehr Personen durch diese Abbildungen angesprochen oder fühlen sie sich vielleicht nicht sogar mehr in bestimmte Schablonen gepresst? Müsste man nicht jedes einzelne Individuum der Welt darstellen, wenn man es schon richtig machen will? Woher bekommt man so viel Papier? Werden unsere Wälder ausreichen?
Meiner Meinung nach gibt es nichts Geschlechtsloseres als ein Strichmännchen. Ich kann an diesem weder etwas Männliches noch etwas Weibliches entdecken.
Zudem muss man sich nicht an jeder Kleinigkeit aufhängen, sondern sollte sich zuerst einmal auf die wirklich problematischen Dinge in unserer Gesellschaft konzentrieren. Es gibt noch genügend Schwierigkeiten, welcher man Herr/Frau werden muss, ehe man sich Schildern zuwendet.
Möglicherweise war es ein Versuch die Gesellschaft zu verändern, aber ich denke nicht, dass das der richtige Weg ist.
Es muss andere Möglichkeiten geben, Menschen darauf aufmerksam zu machen, dass wir alle Individuen sind, welche in überhaupt keine Schublade gesteckt werden sollten, da es gar nicht so viele Schubladen geben kann.
Stereotypisierungen, Kategorisierungen und Klassifizierungen schaden doch nur den freidenkenden, rationalen Geist!
Diese Art radikaler Feminismus wirkt meiner Meinung nach einfach nur lächerlich und übertrieben, und ist sicherlich zumindest teilweise für den schlechten und verspottenden Ruf verantwortlich. Das Schlimmste ist, dass Unwissende die rational denkenden FeministInnen nun mit den radikalen über einen Kamm scheren.
Erinnern wir uns doch, worum es einst ging und noch immer gehen sollte, und gehen die Probleme wirklich an.
Gleichberechtigung, Gleichwertigkeit, Freiheit für jedes Individuum.
Lasst uns die Menschen als Menschen betrachten, nicht als Angehörige bestimmter Schubladengruppen.
Ich weiß, dass ich mit diesem kleinen Artikel womöglich mancherorts anecke, deshalb wiederhole ich: Ich möchte niemanden missionieren, sondern lediglich meine persönliche Meinung als Denkanstoß darlegen.